Laudatio auf Maria Lassnig von Thomas Deecke (Neues Museum Weserburg, Bremen) anlässlich der Verleihung des Roswitha Haftmann Preises am 14. März 2002 im Kunsthaus Zürich

Liebe Maria Lassnig, meine Damen und Herren,

„Man stirbt nicht, man wird umgebracht. Viele Schläge brechen das Herz. Dass ich bis zum Schluss strampeln muss wie eine Verrückte, meine Arbeit verteidigen muss wie eine Anfängerin, missverstanden und beiseite geräumt werde, wie eine räudige Sau, das ist wohl ein gerechtes Schicksal?“ (1) (1993)

Wie beginne ich eine Festrede auf eine wundervolle Künstlerin? Zuerst einmal mit Selbstbildnissen, die ich immer einmal wieder dem Text dazwischenschiebe, übrigens von absteigender Linie, von 2001 rückwärtsgehend? Dann mit einem weiteren Text, der uns warnen sollte, und den sie selber einmal geschrieben hat: „Die einen, die mich ausnützen wollen, wiegeln mich gegen die anderen auf, die mich ausnützen wollen. Diese verblödeten Lobreden“ (1985). Wir sind also deutlich gewarnt!

Ja, es ist etwas Wahres dran, wir nützen Sie aus, liebe Frau Lassnig, und ich will auch versuchen aufzuwiegeln, allerdings nicht Sie, sondern andere, sich noch intensiver mit Ihrem Werk zu beschäftigen!

(1) Alle Zitate aus: Maria Lassnig, Die Feder ist die Schwester des Pinsels, Tagebücher 1943 - 1997
Hrsg. Hans Ulrich Obrist, Köln, DuMont Verlag 2000